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Markus Grünthaler

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Als ich Markus das Bild vom Vertikalaufzug der Hochofenanlage der stillgelegten Maxhütte schickte, bekam ich von ihm das folgende Stimmungsbild zurück. Vielen Dank, Markus!

Setzkübelaufzug

Setzkübelaufzug

Ein Foto wie ein Gemälde. Dieser Bildausschnitt hat einen sehr tiefen Eindruck auf mich hinterlassen. Ich will versuchen es Dir zu erklären.

Da man auf dem Bild wirklich nur einen kleinen Teil der HO-Anlage sehen kann und noch dazu im kompletten Zustand, spiegelt es dem Betrachter eine 'heile' Welt vor. Man sieht nicht die großen Narben, die der Abbruch der anderen vier Öfen dem Areal geschlagen hat und auch nicht die Verwüstung und Zerstörung an den Nebenaggregaten.

Das ist der Blick den ich noch in Gedanken habe als ich 79 auf der Hütte anfing und eben an jenem Ort den Blick ängstlich auf das Gewirr von Trägern und Rohren richtete, die bange Frage im Kopf, werde ich mich hier jemals zurechtfinden, wird es mir gelingen in diesem Labyrinth meinen Weg zum Arbeitsplatz zu finden? Was wird mich hier wohl erwarten?

Damals war das aber alles noch ein wenig düsterer, unheimlicher und ziemlich angsteinflößend. Die HO-Straße hinter den Öfen war dunkel, feuchtwarm und von Wasserdampf und Öldunst durchweht. Überdimensionale Rohre überquerten in niedriger Höhe den Weg. Unwillkürlich zog ich jedesmal den Kopf ein wenn ich darunter durch mußte. Rechts standen die Stahltürme der Cowper und deren Gebläse erzeugten einen eigenartigen Lärm. Man verstand das eigene Wort nicht mehr. Durch die Gebläseschutzgitter konnte man die bläuliche Gichtgasflamme sehen wie sie die Steine im inneren der Ungetüme zum Glühen brachte. Die anderen hingen gerade am Wind und bliesen ihren heißen Atem in die mannshohe Ringleitung zu ihren angeschlossenen Öfen.

Damals wagte ich es nicht zwischen diese Türme zu gehen und machte einen Bogen um sie, eine eigenartige Angst im Nacken vor diesen Anlagen und ihren Geräuschen. Überall im HO-Bereich tropfte das Wasser herunter, besonders unter den Abzügen der Granulationsbunker. Dampf zischte aus allen Ecken und aus jeder Ritze im Boden. Heiße Wasseradern, nur abgedeckt mit vierkantigen Stahlknüppeln, durchzogen den gesamten Bereich. An den Cowpern entlang und zwischen den einzelnen Öfen fuhr eine 750 mm Schmalspurbahn, die Granulationsschlacke und Gichtstaub abtransportierte. Einmal eingehüllt in heißen Wasserdampf und dann wieder in eine dunkle Staubwolke.

Eindrucksvoll auf mich war auch das ständig präsente Rauschen. Man kann diesen eigenartigen Klang nicht beschreiben. Es war das Ofenpanzerkühlwasser, das ununterbrochen am Ofenpanzer herab rauschte und den Ofenmantel und seine Hitze im Zaum zu halten versuchte. Dabei erwärmte es der Ofen fast bis zum Verdampfen bevor es in die riesige Wassertasse stürzte um von neuem, gereinigt und gekühlt, den Kampf gegen die Hitze aufzunehmen.

Hier war man mitten in den Elementen und konnte sie in ihrem ständigen Kampf gegeneinander hautnah erleben. Nachts kam dann noch der wunderbare und gleichzeitig unheimliche Lichtschein dazu, in seinen Farben so faszinierend wie ein Sonnenuntergang, der abwechselnd und jedesmal einzigartig an den Öfen wahrzunehmen war wenn ein Abstich im Gang war. Stach man den hintersten Ofen an und man stand am ersten vorne, sah das wirklich so aus als ginge eine kleine Sonne in der Gießhalle auf. Dann konnte man auch das Geräusch der Gichtkatze deutlich wahrnehmen wenn sie die schwere Last der Möllerkübel auf die oberste Ebene der Bühne hob und den hungrigen Mäulern der Öfen immer wieder von neuem Nahrung zubrachte. Ein dumpfes Brummen, laut und durchdringend wenn sie die Kübel aufzog, etwas heller und schneller im Motorengeräusch wenn der leere Kübel wieder herabkam von dieser geheimnisumwitterten Gichtbühne, auf der wir Normalsterbliche lange keinen Zutritt hatten und die uns wie ein verbotenes Land vorkam.

Abstiche am Ofen übten auf mich immer eine große Faszination aus, und es zog mich bis zum letzten Tag immer wieder hin um jedesmal staunend und wie ein kleiner Junge dort zu stehen und in Gedanken den Lauf des Eisens zu beobachten wie es sich seinen Weg in der Sandrinne suchte um dann im Roheisentunnel in eine der bereitgestellten Pfannen zu fließen, darauf wartend im Stahlwerk veredelt zu werden um dann im Walzwerk, von kundiger Hand in seine vorbestimmte Form gebracht zu werden.

Ein stetiger Gang, fortlaufend, niemals jedoch glich einer den anderen. Es war immer der selbe Vorgang, aber immer in seinen Einzelheiten anders, aber immer gleich beeindruckend und von faszinierender Schönheit.

Kein anderer Beruf oder Arbeitsplatz kommt diesen Eindrücken auch nur annähernd gleich, vom Bergbau einmal abgesehen.

Flüssiges Eisen und flüssiger Stahl haben ihre eigene Schönheit und auch Eleganz.

In diesen elementaren Vorgängen der Natur konnte man auch einen kleinen Teil der Schöpfung erblicken.

Diese Elemente haben wir gelernt zu achten und zu respektieren. Sie hatten Ihre eigene Ehre und Gesetzmäßigkeit. Wir haben mit Ihnen gekämpft und haben Sie jeden Tag aufs neue bezwingen müssen, darauf waren und sind wir stolz.

Manchmal jedoch haben sie auch uns bezwungen und haben sich ihr Opfer geholt, als wollten sie sich rächen dafür uns gehorchen zu müssen. Dann aber haben sie uns gezeigt was in ihnen steckt, und wir haben aufs neue den Kampf mit ihnen aufgenommen und sie erneut bezwungen, ehrenvoll und mit großem Respekt!

Das ist nun alles nicht mehr.

Es ist schwer das zu akzeptieren.

Ich werde diese Zeit nie vergessen und immer ein klein wenig Trauer im Herzen tragen, immer in der Hoffnung, daß uns der Ofen eines Tages wieder zum Abstich ruft um uns sein freudiges 'Glück Auf' und 'Immer Ofen am Wind' zuzurufen!

Lieber Harald, danke nochmals für das Bild das mich wieder in 'meine' Welt versetzte und schöne Erinnerungen wachrief, die mir Gott sei Dank niemand nehmen kann!

© Text: Markus Grünthaler, Foto: Harald Finster

Fotografien der Maxhütte finden Sie unter  Maxhütte 

©   Harald Finster, Gulpener Str. 26, 52074 Aachen, Germany   Industriefotografie
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