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Markus' Gedanken zum Thema 'Ein heißer Sommer'
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Markus Grünthaler

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Maxhütte: Walzwerk

Maxhütte: Walzwerk

Ich kann mich nur an einen vergleichbaren Sommer irgendwann in den frühen 80ern erinnern. Damals warst Du schon total durchgeschwitzt und warst erst auf dem Weg zum Arbeitsplatz.

Ich war damals noch auf der 700er Triostraße und im Auslaufbereich Warmbett eingesetzt.

In der Halle hatte es ungefähr 60 Grad und im sog. Stempelloch, in dem wir mit der Hand glühendes Material mit Chargennummern stempeln mußten, konntest Du noch mal 25 Grad Lufttemperatur dazurechnen.

Das ging alles noch, aber, wenn das Material, 12 Vierkantknüppel ab 55 Quadrat aufwärts, mit dem Kettenschlepper über das Stempelloch gezogen wurden, dann waren sie vom Gesicht und Körper ca. 50 cm entfernt - das hat dann Spaß gemacht.

Abstrahltemperatur ca. 400 Grad und mehr.

Da war dann Routine und Schnelligkeit angesagt, und wenn Du einen Kollegen hattest, der die ganze Geschichte noch nicht so drauf hatte, dann hast du schon die Haare knistern gehört!

Dann hast du nämlich fast doppelt so lange gewartet, bis du deine Stempelung anbringen konntest.

In solchen Fällen bin ich dann immer mit dem Chargenummernstempel voraus gegangen und habe das Tempo für mich selber bestimmt.

Er konnte sich dann "Zeit lassen" mit dem Blocknummern stempeln. Sicher, es war der schwerere Teil der Arbeit. Der Stempel wog mit Schlagzahlen fast 9 kg und der Schlaghammer nochmal das gleiche, aber Du warst eben schneller fertig und konntest etwas schneller aus dem Hitzebereich raus.

Bei dieser Arbeit war es fast egal was draußen für Wetter war, die Hitze war da. Im Sommer war es auf jeden Fall gesünder. Die Halle an der 700er Strecke war im Warmbett nämlich an den Seiten offen, wegen Kranbetrieb, und es herrschte ständig ein leichter Luftzug, was im Sommer relativ angenehm war aber im Winter die Hölle.

Vom Stempeln im Loch und den dort vorherrschenden Temperaturen warst du total naß geschwitzt. Kaum waren aber die Blöcke weg, herrschten dort aufgrund der offenen Halle die gleichen Witterungsverhältnisse wie draußen, und das konnte bei 15 Grad Minus verdammt unangenehm sein.

Aus diesem Grund haben alle Kollegen, die wie ich im Warmbereich gearbeitet haben, ihre Probleme mit den Kalt- und Warmgefühlen. Wenn andere schon lange ihre Sommerdecken im Bett haben, liege ich noch mit einer Wolldecke im Bett.

Im Winter haben wir uns immer eine kleine "Heizung" im Stempelloch gebaut. Wir ließen uns an der 700er Blockschere eine ca. 50 cm lange Probe abzwicken und legten sie auf zwei alte Schienenreste. Darüber haben wir ein dickes Brett gelegt und haben dieses Brett mit einer ausrangierten Asbestschürze umwickelt.

Du kannst Dir nicht vorstellen, was für wohliges Gefühl es war auf diesem Brett zu sitzen, und es war eine eigene Art von Wärme und Geborgenheit auf dieser Bank.

In den kurzen Stempelpausen saßen wir zwei dort, ziemlich geschafft und fertig, rauchten zusammen eine und plauderten ein wenig miteinander.

Auf Nachtschicht hielten wir uns dadurch gegenseitig wach. Hier entstand die so vermißte Arbeitskameradschaft, die sich nicht so einfach beschreiben läßt. Man muß sie erlebt und erlitten haben, um sie auch wirklich richtig verstehen zu können.

Diese Schichten, und nicht nur das spektakuläre Feuerschauspiel, waren es die uns zu dem gemacht haben, was wir waren und auch viele von uns noch sind.

Diese Erlebnisse haben uns auf ewige Zeiten miteinander verbunden und uns über die normale Kollegialität hinaus zu Arbeitskameraden werden lassen.

Kameraden auf Leben und Tod.

Wir wußten, daß wir uns auf den Anderen blind verlassen konnten, und glaub mir, mehr als einmal wurde diese Kameradschaft von jedem von uns eingefordert.

Jeder von uns hat irgendeinem anderen Arbeitskameraden sein Leben zu verdanken. Jeder von uns war desöfteren in einer Situation wo der ganze Einsatz des eigenen Lebens verlangt wurde, um das des anderen zu erhalten.

Manchmal war es vergebens, und wir ballten dann vor Wut die Fäuste zum Himmel, weil wir die unergründlichen Wege des Schöpfers nicht verstehen konnten oder wollten. Warum gerade er ....!

Und eben diese Erlebnisse sind es, die uns jetzt voll Wut und Zorn werden lassen wenn wir sehen, was mit jenen Orten geschieht, an denen uns dies alles wiederfahren ist, sowohl Gutes wie Böses, an denen wir Kameradschaft und Menschlichkeit, Härte und schwerste Arbeit durchlebt und durchlitten haben, die uns geprägt und erzogen haben, die uns den Respekt vor den Gewalten der Natur beigebracht haben, und die uns zu dem gemacht haben, was wir jetzt sind.

Für Außenstehende mag dies alle schwer verständlich sein, und viele haben über uns verständnislos den Kopf geschüttelt.

Trotzdem, ich war stolz auf meine Arbeit in der Hütte bis zum letzten Tag, an dem ich mich mit Tränen von meiner Hütte verabschiedet habe, an dem ich alle meine Arbeitsplätze, die ich jemals in der Hütte hatte aufgesucht habe, und von jedem still Abschied nahm, an dem ich mit Trauer, Wehmut und auch Wut das letzte mal die Kaue verließ und langsam zum Werkstor ging, die Gedanken an jenen Tag, an dem ich das erste mal über den Steg ins Werk kam und nicht wußte und ahnte, daß es eine Verbindung fürs Leben wurde.

Ich kam mit der Hütte in diese Welt, und ich hoffe, so es der liebe Gott will, ich werde eines Tages mit unserer Hütte aus dieser Welt gehen.

Mein einziger ehrlicher Wunsch wäre, daß sie dann noch steht.

Mein Großvater, der mir Zeit seines Lebens ein Freund und Kamerad und auch ein Vorbild war, wollte als letztes Signal auf seinem letzten Gang die Schichtsirene der Hütte hören. ihm wurde dieser Wunsch erfüllt, und als er zur letzten Schicht getragen wurde, ertönte unsere Sirene eine volle Minute lang ihm zu Ehren. Das hätte ich mit auch gerne gewünscht. Dieser letzte Wunsch wird mir allerdings verwehrt bleiben. Die Kessel, die diese Sirene mit Dampf versorgten, sind schon lange kalt und ihr lustiger Ruf klingt nicht mehr über dem Tal des Rosenbaches, um die Kollegen zur Schicht zur rufen, die Brotzeit anzukündigen oder den verdienten Schichtwechsel zu melden.

In mir wird diese Zeit für immer fortleben und nichts und niemand kann mir diese Erinnerungen, Erlebnisse und Gefühle nehmen. Wir verdienten auf der Hütte unseren Lebensunterhalt aber es war kein "Job", es war Berufung für jeden von uns, für den einen mehr für den anderen weniger. Alle aber waren wir Hütterer und sind es bis heute geblieben und werden es wohl auch immer bleiben - zumindest im Herzen. Welch anderer Beruf weckt solche Emotionen? Wir haben eben "im Stahl gearbeitet !!"

© Text: Markus Grünthaler, Foto: Harald Finster

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